Daniel Speer, Creative Director

„Geiz ist Geil! “Ist das eine Werbung, an die Sie sich erinnern können? Dann war sie gut. Weil sie polarisiert hat, weil sie Gesprächsthema war. Natürlich passt so ein Ausspruch nicht für den Vermittler von Edel-Immobilien. Aber auf jedes Töpfchen passt ein Deckelchen – wenn die Kreation sensibel denkt. Und wenn der Kunde von der Notwendigkeit kreativer Werbung überzeugt ist.

Kreation als Partner der Strategie

Ob in der Technik, in der Kunst oder in der Werbung: Kreativität ist der Wirtschaftsfaktor mit der größten Erfolgsaussichten. Warum sich also nicht ihrer bedienen?

Wenn auch manche kreativen und außergewöhnliche Ideen in der Marketing­kommunikation Mut erfordern. Aber Kreativität, Entschlossenheit und Dynamik lässt auch Rückschlüsse auf den Absender zu. Und welches Unternehmen würde sich nicht mit diesen Attributen schmücken wollen?

Kreative Werbung zeugt von Intelligenz. Auch, wenn man sie ihr nicht sofort ansieht.

Mit freundlicher Genehmigung von Phillipp und Keuntje, Hamburg

Oder, wenn kreative Werbung einem zum Lachen bringt.

Oder auch, wenn kreative Werbung nur lokal wirken soll.

Kreative Werbung wertet ein Marke auf. Aber aufpassen:  Auffallen um jeden Preis ist dabei der Holzweg.  Es geht darum, wie spricht die Marke? Welchen Charakter hat sie? Edel und distinguiert, technisch und innovativ oder frech und jung? Kreative Werbung hat auch immer die Aufgabe, sensibel zu sein. Schließlich muss in erster Linie das Unternehmen mit ihr leben. Und nicht die Werbeagentur.

Wenn du für ETWAS stehst, wirst du immer Menschen finden, die für oder gegen dich sind. Aber wenn du für NICHTS stehst, wirst du niemanden finden, der für oder gegen dich ist.

Bill Bernbach

Von Daniel Speer, Creative Director

Der werbliche Overkill bringt uns immer mehr dazu, für Werbebotschaften nicht mehr empfänglich zu sein. Ich habe letztens den bemerkenswerten Satz gelesen: „Wir Verbraucher sind immer weniger bereit, Politikern, Stars, Posts und Werbung unsere Aufmerksamkeit zu schenken.“ Eine Erkenntnis, die man auch auf sich selbst anwenden kann. Man lernt allmählich, dass die täglichen neuen Säue, die durchs Dorf getrieben werden, auch langweilen können. Vor allem, wenn sie einander immer mehr gleichen. Dieses Problem hat auch die Werbung, deren „Likes“ sich in Verkaufszahlen ausdrücken muss.

Der werbliche Overkill oder das Übersättigungssyndrom.

Von anfänglich 650 bis 850 Werbebotschaften täglich vor dem Start der privaten Sender in den 1980ern hat sich die tägliche Werbeflut mindestens verzehnfacht. Fachleute gehen von mittlerweile mehr als 10.000 Werbemessages aus, die uns täglich erreichen. Manche sogar von 13.000.

Ganz zu schweigen von der „personalisierten Werbung“ – also der nachfassenden Werbung, wenn man mal ein bestimmtes Produkt gesucht hat. 75% der Deutschen empfinden diese Art von Werbung als nervig (Ogury „The Reality Report“ 2019).

Die Psychologie spricht aber von „Werbeblindheit“ schon ab 3000 Kontakten pro Tag. Was nichts anderes bedeutet als, dass sie „in das eine Ohr hineingeht uns aus dem anderen Ohr wieder heraus“. Konkret ausgedrückt:

Nur 2% der Botschaften haben die Chance, von den Zielgruppen wahrgenommen zu werden. Nur 0.004% aller Informationen erreichen das Bewusstsein der Zielgruppen. (Quelle: M&C Saatchi Digital at ADC).

Auch deshalb versucht Werbung immer penetranter zu werden. Vor allem Online. Der Konsument als werbliches Stalkingopfer: „Wir denken, dass auch folgendes Produkt für Sie interessant sein könnte:“.

Mit steifen Beinen schießt man keine Tore. Das, was Werbung heute braucht: Mut.

Wir brauchen nicht die Werbung, die am lautesten ist. Sondern die, die anders ist. Intelligenter. Witziger. Werbung, die ein Momentum hat. Dazu braucht es Kreativität, Mut und “thinking out of the box”! Nur wer anders auftritt, bekommt die Aufmerksamkeit, die er sich wünscht. Es lohnt sich, darüber einmal nachzudenken. Und dann zu handeln.

Daniel Speer, Creative Director

Der Zero Point of Truth zeigt uns, dass durch die Digitalisierung die Konsumenten schwerer greifbar geworden sind, weil sie ihre Bedürfnisse selbst managen: Online.

Früher war die Customer Journey noch recht überschaubar: Erfolgreiches Push-Marketing brachte den Kunden in den Handel, wo er sich von fachkundigen Verkäufern beraten ließ. Am Ende stand meistens die Entscheidung für ein Produkt und der Kauf.

Kein Vergleich zu heute: In unserer digitalisierten Welt findet der Kunde alle Möglichkeiten, sich zu informieren, Produkte zu vergleichen und unter vielen Anbietern zu wählen. Auf digitalen Marktplätzen findet er die Produkt- und Preisvergleiche, die er für seine Recherche braucht.

Google nennt diesen Vorgang den „Zero Moment of Truth (ZMOT) – also der Prozess, den der Verbraucher schon lange vor dem eigentlichen Kauf einleitet: Die Suche nach dem richtigen Produkt.

Erst nach diesem vollkommen eigenständigen (und teilweise lang andauernden) Vorgang, fällt die Kaufentscheidung („First Moment of Truth“).

Google hat hierzu eine die Customer Journey einer Frau untersucht, die einen Besuch von Disney World recherchiert hatte. Zusammen mit den Marktforschern von Luth Research fand man heraus, dass es 419 digitale „Momente“ gebraucht hat, um den Trip zu planen. Dazu gehörte der Kauf der Tickets, die Anreise und die Wahl des Hotels genauso dazu wie eine genaue Preisrecherche. 34 mal ging sie über Google Search, fünf Videos wurden angeklickt und 380 Webpage-Views wurden generiert. Übrigens zum überwiegenden Teil auf dem Handy.

Diese Studie ist ein typisches Beispiel für den „Zero Moment of Truth“. Es zeigt, wie sich Verbraucher heutzutage im digitalen Raum bewegen, bevor sie einen Kauf abschließen.

Hier sehen wir den größten Unterschied, der die Customer Journey komplett verändert hat: Die eigenständige Suche nach dem Produkt vor dem Kauf.

Was bedeutet das für das Marketing?

Am Anfang des „Zero Moment of Truth“ steht der Stimulus. Denn ohne einen Impuls entsteht keine Neugierde. Wichtig ist hierbei die Herausstellung des Mehrwerts des Produkts (nichts anderes als der gute alte „USP“).

Statt aufwendigem „Push-Marketing“ ist hier Zielgruppen-affines „Pull-Marketing“ gefragt – also das Hinführen des Kunden zum Produkt. Wir lassen uns also vom Kunden in seinem „Zero Moment of Truth“ finden (statt ihn mit Werbung zu überfluten). Zum Beispiel durch SEO, Social Media und Influencer Marketing. Wir wissen ja, dass der Kunde heute recherchiert, forscht und vergleicht. Wir müssen deshalb dafür Sorge tragen, dass er dabei auf uns stößt.

Und dafür müssen wir ihn kennen. Und je besser, desto greifbarer wird er.

Und wenn wir es jetzt noch schaffen, mit kreativer Werbung, Storytelling und Aktionen sein Interesse zu wecken, können wir den „Zero Moment of Truth“ zu unserem Spielfeld machen.

Daniel Speer. Creative Director

Die Werbung im digitalen Zeitalter zwang viele Werbetreibende zum Umdenken. Denn es gab Zeiten, als es die Werbung beim Verkauf noch relativ einfach hatte. Ein bisschen Print, ein bisschen TV, etwas Funk und ein schönes Display dazu – fertig war die Kampagne.

Manche haben damals der Werbung noch Zauberkräfte zugeeignet und nannte sie deshalb „die geheimen Verführer“ (Vance Packard, 1962).

Heute ist das anders: Unzählige Mediakanäle und -formen mit denen sich die Verbraucher Ihre Informationen selbst besorgen, Meinungen einholen und Online-Preisrecherchen starten. Der Konsument ermittelt selbst, was er kaufen möchte. Und dabei ist er in seinen Vorlieben wechselhaft.

VERKEHRTE WELT? NEIN, BEGEHRTE WELT!

Über 50% der Werbespendings werden mittlerweile online ausgegeben. Warum? Darum:

18 Millionen Textmessages, 4,3 Millionen YouTube views, 862.823 $ Online Einkäufe, 38 Millionen WhatsApp Nachrichten, 1,1 Millionen Tinder Swipes, 3,7 Millionen Google Suchen, 481.000 Tweets und 266000 Netflix Aufrufe etc.etc..

Diese Zahlen beziehen sich auf nur eine Minute (2018)!

Und wenn man sich in die vielen Handynutzer ansieht, die mit gesenktem Blick die Fußgängerzonen bevölkern, ahnt man, dass diese gewaltigen Zahlen stimmen. 

Ihre geheimen Verführer suchen sich Kunden heute selber aus. Und wer das nicht weiß, wird sich wahrscheinlich mit dem Verkaufen schwerer tun als andere.

Jedoch gibt es eine Gemeinsamkeit zu früher: je kreativer und außergewöhnlicher eine Werbung ist, desto wirksamer fungiert sie als Impulspunkt. Nur eine Werbung, die aus der Masse herausleuchtet, wird beachtet. Aber dazu erfordert es Mut seitens des Werbekunden. Und seitens der Werbeagentur. Dieser Mut ist aber nur vordergründig zu sehen, denn noch risikoreicher ist es, mit einer blassen Kampagne keinen zufriedenstellenden Return of Invest zu bekommen. Auch die Werbung im digitalen Zeitalter hat hier den gleichen Erfolg zu bringen wie die Werbung von früher.

PS: Wussten Sie, dass 42,2 % der User ihr Handy auch auf der Toilette benutzen – sogar 78,2 % bei Millennials  (Quelle: M&C Saatchi Digital at ADC)?